Demenz verstehen

Silke Kirch: Das Murmeln der Auguste Deter. © Info3 Verlag
Silke Kirch: Das Murmeln der Auguste Deter. © Info3 Verlag

Wer geglaubt hat, der Büchermarkt zum Thema Demenz sei bereits gesättigt, wird durch das Buch von Silke Kirch eines anderen belehrt.

Von Norbert Zimmering

Neugierig geworden durch den Buchtitel, kann man für die Art, wie das Phänomen Demenz in diesem Buch aufbereitet wird, sehr schnell Sympathien entwickeln. Vor allem dann, wenn man als LeserIn zwischenzeitlich selbst einen Zugang zu Menschen mit dementiellen Veränderungen gefunden hat. Sei es als betroffener Angehöriger, als professionell Pflegende oder einfach nur als jemand, der sich gelegentlich über das vermeintlich „komische Verhalten“ eines Mitmenschen in der Bahn, im Kaufhaus oder auf der Straße gewundert hat. Wie ein roter Faden zieht sich das Anliegen der Autorin durch das Buch, Fremdheit zu überwinden und stattdessen die „Kunst des Verstehens“ zu entwickeln. Oder wie die Autorin es formuliert: Dieses Buch möchte einladen zu schöpferischem Denken, mutiger Selbstbefragung und kreativer Gestaltung.

Wertvoll wird das Buch aber auch durch die Schilderungen von Erlebnissen: in der Malgruppe, beim Besuch in den Wohnbereichen und ganz persönlichen Begegnungen. Ausflüge in die Literatur und in die Theaterwelt runden das Bemühen erfolgreich ab, das Thema Demenz nicht nur auf medizinische Fakten zu reduzieren, sondern es der Leserschaft in seiner Vielfalt zugänglich zu machen.  Beeindruckend, wie es Silke Kirch allein durch die Überschriften der jeweiligen Kapitel gelingt, die Aufmerksamkeit der Leserschaft zu erreichen, aber auch in der Kürze die Signatur von Menschen mit dementiellen Veränderungen zu beschreiben: da ist zum Beispiel die Sehnsucht nach Beheimatung, korrespondierend mit dem Kapitel: Einsamkeit und Demenz. In den vergangenen Jahren gewinnt die Erinnerungsarbeit als Teil der biografischen Begleitung immer mehr an Bedeutung. Sie zu verengen auf den Begriff Betreuungsarbeit ist zu kurz gegriffen: nicht nur der alternde Mensch, sondern besonders der dementiell veränderte Mensch will nicht „betreut“, er will „verstanden“ werden. Bettina von Arnim hat einmal gesagt: „Ich will geliebt sein oder ich will begriffen sein. Das ist eins.“ Auch diese Weisheit gehört zur Kunst im Umgang mit dementiell veränderten Menschen.

Ich wünsche dem Buch eine große Aufmerksamkeit. In der Aus-, Fort- und Weiterbildung sollte es neben vielen weiteren literarischen Erzeugnissen seinen Stammplatz finden.

Silke Kirch: Das Murmeln der Auguste Deter. Info3 Verlag

Silke Kirch: Das Murmeln der Auguste Deter oder: Was ist die Kunst im Umgang mit Demenz, Frankfurt, 2015, € 16,80. Hier direkt beim Verlag bestellen.

Über den Autor / die Autorin

Redaktion info3

Unter "Redaktion Info3" firmieren bisweilen folgende Redakteur*innen und Autor*innen: Dr. Jens Heisterkamp, Anna-Katharina Dehmelt, Laura Krautkrämer. In der Regel ist das nur bei rein nachrichtlichen Texten oder bei Interviews der Fall.