Gebrochene Schönheit – Info3, Februar 2017

Gebrochene Schönheit. Zeitschrift Info3, Ausgabe Februar 2017

Gebrochene Schönheit

Am Unvollkommenen wachsen

Zeitschrift Info3, Ausgabe Februar 2017

Ist das nicht eine merkwürdige Zeit, um ausgerechnet jetzt über Schönheit nachzudenken? Und doch brauchen wir gerade in den Zeiten von Trump und AfD, von Autoritarismus, Terror, Verwirrtheit und Stimmungsmache nicht nur höchste gesellschaftliche Wachheit, sondern auch starke innere Kraftquellen. Zu ihnen kann zweifellos auch die Kunst gehören.

Kunst allerdings nicht im Sinne eines Rückzugsraumes, der mit der übrigen Welt nichts zu tun hätte, nicht als Idylle oder Seelen-Wellness. Das Schöne kann spätestens nach der Mitte des 20. Jahrhunderts mit seinen Offenbarungen des Bösen nicht mehr makellos sein und auch heute muss sie Spuren von Zeitgenossenschaft tragen.

Wenn Schönheit die Erscheinung der Freiheit im Sinnlichen ist, wie es in einem unserer Texte in Anlehnung an Schiller heißt, dann hat sich die Art tiefgreifend geändert, wie sich Freiheit heute durchsetzen muss, um das Sinnliche schön erscheinen zu lassen – gegen Gewalt und Willkür, gegen das Dämonische und Abgründige, auch in uns selbst. Eine bruchlos wirkende Kunst, der man das Ringen damit nicht anmerkt, kann ebenso wenig überzeugen wie eine Ästhetik, die das Abgründige nur wiederholend beschwört.

In diesem Sinne haben wir uns für diese Ausgabe auf die Suche begeben nach Ansätzen dafür, wie aus Brüchen das Schöne wachsen kann. Der polnische Bildhauer Igor Mitoraj, von dem Sie ein Werk auch auf unserem Titel sehen, die jüdische Mystik der „zerbrochenen Gefäße“, aus der Anselm Kiefer schöpft, und der liebevolle Umgang mit (Lebens-?)Scherben im japanischen Wabi-sabi bilden die ästhetischen Welten, in die unsere Autorinnen und Autoren Sie diesmal einladen.

Gerade in unseren Tagen sehnen wir uns nach Kunst, die Wunden aushalten kann, die nicht kitschig auf schnelles Heil aus ist, aber zu so etwas wie Trost fähig ist. Beurteilen Sie selbst, inwieweit es uns gelungen ist, davon etwas spürbar zu machen.